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Präzisionswerkzeug gegen Betrug

KI und Input-Management als effektive Verbündete

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Versicherungsbetrug ist ein Phänomen so alt wie die Versicherungsbranche selbst. Eine neue Dimension der Bekämpfung schafft die Entwicklung selbstlernender Algorithmen. Um zu verhindern, dass diese Algorithmen zu – vermeintlich modernen aber letztlich – ineffektiven Instrumenten in der Schadenabwicklung verkommen, ist ihre Integration in Input-Management-Lösungen essenziell.

Es sind bereits zwei Jahre vergangen, seit der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zuletzt Daten zum Versicherungsbetrug veröffentlichte. Ein beunruhigendes Ergebnis dieser Statistiken ist, dass annähernd jede zehnte Schadenmeldung betrügerisch ist, wobei nur ein kleiner Teil dieser Fälle aufgedeckt wird. Schlimmer noch: Zukünftig könnten selbstlernende Technologien wie ChatGPT zu einem Anstieg der Betrugsfälle beitragen. Künstliche Intelligenz ermöglicht es Betrügern, Schadenmeldungen zu erstellen und passende Bilder auszuwählen oder sogar zu generieren, was die Herausforderung für Schadenabteilungen von Versicherungen verstärkt, solche betrügerischen Meldungen zu identifizieren.
Diese Zunahme an Betrugsfällen führt zu beträchtlichen finanziellen Schäden, die nach Branchenschätzungen jährlich etwa fünf Milliarden Euro betragen. Dies belastet nicht nur die Versicherungsunternehmen, sondern führt letztendlich auch zu höheren Prämien für die gesamte Versichertengemeinschaft. Meist handelt es sich bei den Betrugsfällen um kleinere Schäden, insbesondere bei neuer Elektronik wie Smartphones. Auffällig ist, dass nach der Markteinführung neuer Modelle die Schadenmeldungen für ältere Modelle ansteigen.
Hinzu kommt ein Anstieg digitaler Schadenmeldungen, die zunehmend online oder über Apps abgewickelt werden, oft ohne die Notwendigkeit eines Gutachters vor Ort. Dies erleichtert Betrugsversuche weiter. Daher ist es unerlässlich, in den Prozess der Schadenbearbeitung Lösungen zu integrieren, die bearbeitete und manipulierte Fotos erkennen können, besonders wenn Schadenmeldungen automatisiert und ohne menschliche Überprüfung bearbeitet werden.

Detektivarbeit in der Versicherung: Wie Betrugsfälle entlarvt werden

Das Hauptziel in der Betrugserkennung innerhalb des Schadenmanagements liegt darin, eine möglichst hohe Anzahl tatsächlicher Betrugsfälle zu identifizieren und gleichzeitig die irrtümliche Markierung legitimer Schadenmeldungen als Betrug (sogenannte „Falsch-Positiv-Treffer“) zu minimieren. Ein effektives Werkzeug zur Betrugserkennung zeichnet sich dadurch aus, dass es bei einer konstanten Rate von Falsch-Positiv-Treffern mehr echte Betrugsfälle aufdeckt oder bei einer gleichbleibenden Anzahl erkannter Betrugsfälle weniger Falsch-Positiv-Treffer produziert. Dabei kommt es auf die geschickte Anwendung von Triage-Modellen an: Es muss entschieden werden, welche Vorgänge automatisiert abgewickelt werden können und bei welchen ein menschlicher Sachbearbeiter genauer hinsehen sollte. Ziel ist es, Algorithmen so zu entwickeln, dass Falsch-Positiv-Treffer und der daraus resultierende manuelle Nachbearbeitungsaufwand durch Betrugsexperten reduziert werden.
KI-Modelle, die auf Deep Learning basieren, eignen sich besonders gut für diese Aufgabe. Sie lernen kontinuierlich aus der Masse der eingegebenen und manuell überprüften Daten und verbessern so ihre Fähigkeit, Schadensfälle präzise zu bewerten. Diese Modelle sind in der Lage, auch unstrukturierte Daten zu analysieren und erreichen schnell eine hohe Treffsicherheit bei der Vorhersage von Betrugsverdacht. Die Modelle arbeiten in der Regel mit Daten, die entweder direkt mit der Schadenmeldung übermittelt oder im Rahmen der Erstschadenbearbeitung von der Versicherung angefordert werden, wie etwa Schadensbilder, Berichte, Kaufbelege, der Weg der Schadenmeldung oder den Zeitpunkt der Meldung.
Die KI analysiert die eingereichten Daten und spürt Anomalien oder verdächtige Muster auf. So kann beispielsweise überprüft werden, ob die in den Bildern dargestellten Schäden mit denen im Schadenbericht übereinstimmen. Auch das Auslesen des ursprünglichen Aufnahmezeitpunkts des Schadensbildes aus den Metadaten ist möglich. Auf Basis dieser Analyse erstellt die KI eine Einschätzung der Betrugswahrscheinlichkeit, zum Beispiel in Form eines Scorings oder Tags, und fügt diese dem erstellten Datensatz hinzu. Bei einem Verdachtsfall wird ein Betrugsspezialist hinzugezogen, um die Schadenmeldung detaillierter zu untersuchen.

Durchschlagende KI: Eine neue Dimension in der Betrugsaufdeckung

In der Praxis wird oft diskutiert, wie KI-Modelle effektiv in die etablierten Abläufe innerhalb von Versicherungen integriert werden können. Eine Schlüssellösung liegt in der Anpassung der Prozesse rund um die Schadenmeldung und -erstbearbeitung an die Anforderungen der KI-Modelle. Es ist entscheidend, dass Versicherungen fähig sind, bereits im Zuge des Posteingangs eine Vielzahl unterschiedlicher Dokument- und Datentypen zu erfassen und effizient zu verarbeiten. Ohne diese Fähigkeit laufen viele KI-basierte Lösungen Gefahr, ihre Wirksamkeit einzubüßen.
Ein intelligentes und automatisiertes Input-Management-System fungiert in diesem Zusammenhang als essenzielle Unterstützung für die KI-Modelle. Es sammelt und analysiert automatisiert große Datenmengen, die bei der Versicherung eingehen. Ein großer Vorteil dieser Modelle liegt in ihrer Unabhängigkeit von spezifischen Policen oder Versicherern, was einheitliches Training und spätere Skalierung über verschiedene Versicherungsunternehmen hinweg ermöglicht. Eine wesentliche Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz dieser KI-Modelle ist die Nutzung durch mehrere Versicherungsunternehmen.
Wird ein KI-Modell direkt mit einem Input-Management-System verbunden, entfällt der sonst hohe Aufwand für die Integration und Wartung lokaler Datenquellen aus der IT-Infrastruktur einer Versicherung, was eine erhebliche Vereinfachung und Effizienzsteigerung bedeutet. Hier spielen externe Partner wie SPS ihren großen Effizienzvorteil gegenüber internen Insellösungen aus.

Autor

Christian Ott ist Director Global Solution Design Insurance bei SPS Global. Er ist ausgewiesener Spezialist für die Versicherungswirtschaft, Business Process Management und Nearshoring. Ott hat für verschiedene Unternehmensberatungen gearbeitet und vor seiner Tätigkeit für SPS für die Allianz in Deutschland und Rumänien die Optimierung von Backoffice-Prozessen sowie den Aufbau eines Shared-Service Centers verantwortet.